Das Thema des Symposiums „Rathgeber im Kontext" vom 3. Juni 2007 mag auf den ersten Blick verwundern. Denn es stellt sich zurecht die Frage, was mit dem Kontext eigentlich gemeint sein soll. Die Themenstellung soll den Umstand berücksichtigen, dass Musik nie im luftleeren Raum entsteht. Es sind bei der Planung in erster Linie folgende Kontexte gewesen, in denen wir der Komponist Rathgeber verortet wurde: Geschichte, Theologie, Pädagogik und freilich auch Musikwissenschaft.
Der Komponist Rathgeber ist Teil der allgemeinen Kulturgeschichte des Spätbarocks und daher nicht ohne diesen „Kontext" verständlich. Rathgeber ist aber nicht nur ein Teil der Kulturgeschichte, besonders der Musikgeschichte, sondern auch Teil der Geschichte im Allgemeinen. Die politischen Auseinandersetzungen und Kriege sind sicherlich nicht an Rathgeber spurlos vorübergegangen. Prof. Wolfgang Weiß aus Würzburg skizzierte die allgemeine Lage im Hochstift Würzburg, vor allem auch Rathgebers Bezug zu seiner Heimat und seinem Studienort, während Prof. Günter Dippold aus Bamberg die Situation des Benediktinerklosters Banz in seinen schwierigen Wechselbeziehungen zu den beiden Bistümern Würzburg und Bamberg, was sich bei den Abtwahlen immer wieder gezeigt hat.
Rathgeber ist aber auch Komponist. Seine Werke stehen zwar noch in der spätbarocken Tradition. Sie beschreiten aber durch ihren Hang zur Einfachheit, Kürze und Lieblichkeit einen neuen Weg. Prof. Hermann Ullrich aus Schwäbisch Gmünd verwies auf die Musizierpraxis der Jesuiten, mit denen Rathgeber durch sein Studium verbunden war, und der Franziskaner, die den vierstimmigen Satz der Rathgeberwerke eigenwillig zu einer Stimme zusammenführten. Prof. Charles Jurgensmeier aus Omaha/Neb stellte die Magnifikat-Kompositionen aus den Ruralvespern Opus 17 vor, die aufgrund ihrer Kürzungsmöglichkeiten gerade für kleinere Ensembles gedacht waren. Magister Marcin Konik aus Kraków stellte zwei Orte der Rathgeber-Pflege in Polen vor, die typisch für die Musikpraxis in Polen des 18. Jahrhunderts sind, und zwar die Pfarrkirche von Raków und das Piaristenkolleg von Podoliniec.
Rathgeber ist aber nicht nur Komponist, sondern auch Ordensmann gewesen. Versorgungsgründe mögen zwar eine Rolle für den Eintritt in die Klostergemeinschaft von Banz gewesen sein, jedoch darf man dem Ordensmann Rathgeber nicht absprechen, dass er diesen Schritt als geistliche Berufung verstanden hat. Was für den Menschen Rathgeber gilt, ist bestimmt auch für seine Kompositionen zu vermuten. Altbischof Prof. Paul-Werner Scheele aus Würzburg skizzierte ausgehend von den Texten der Arien aus Opus 10 die theozentrische, eucharistische und marianische Spiritualität Rathgebers.
Rathgeber ist schließlich auch Pädagoge gewesen. Da sein Vater in Oberelsbach als Lehrer gewirkt hat, ist der junge Rathgeber schon bald mit dem Beruf des Lehrers in Berührung gekommen. Während seines Theologiestudiums übernahm er schließlich die Lehrerstelle am Waisenhaus des Juliusspitals. Pädagogische Hinweise finden sich in den Werken Rathgebers allerdings jedoch selten. Seine Lieder aus dem dreibändigen Tafelconfect sind aber seit jeher im Musikunterricht und in der Singpraxis eingesetzt worden. Prof. Friedhelm Brusniak aus Würzburg stellte das Anfang des 20. Jahrhunderts entstandene Kaiserliederbuch vor. Der Umstand, dass gerade in diesem wichtigen Werk zahlreiche Rathgeber-Lieder aufgenommen wurden, zeigt die große Wertschätzung, die man diesem Kleinmeister beimaß.
Das Symposium „Rathgeber im Kontext" brachte die unterschiedlichsten Disziplinen in einen fruchtbaren Dialog. Es bleibt zu wünschen, dass eine solche Veranstaltung nicht die letzte ihrer Art gewesen ist.
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