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Deckblatt zur Canto-Stimme von Opus I, Zweitauflage von 1728Im Jahr 1721 veröffentlichte Johann Valentin Rathgeber (1682–1750) im Alter von 39 Jahren im protestantischen Verlagshaus Johann Jakob Lotter in Augsburg seine erste Werksammlung mit dem barocken Titel „Octava Musica clavium octo musicarum in Missis octo musicalibus“. Dieses Opus widmete er dem Abt von Banz, Freund und Förderer der Chor- und Orgelmusik, Benedikt Lurz (1674–1731).

Opus I beinhaltet - wie sich bereits aus dem Titel ergibt - acht Messen vom Typus der Missa brevis für vier Solisten, gemischten Chor und Kirchentrio (zwei Violinen und Basso Continuo), deren Tonarten in der Oktav aufsteigen (F, G, A, B, C, D, Es, E). Jede der acht Messen hat einen eigenen Psalmvers als vorangestelltes Motto. Diese Psalmmottos haben jedoch keinen Bezug zur Messkomposition etwa im Sinne eines Cantus firmus. Mit ihnen preist Rathgeber acht sittliche Tugenden seines Abtes, wie sich aus der Widmung an Abt Benedikt von Kloster Banz ergibt.

Die Kompositionen waren so beliebt, dass bereits im Jahr 1728 eine um zwei Requien erweiterte Zweitauflage folgte. Noch heute gehören diese Messen zum festen Bestandteil vieler Kirchenchöre.

Opus I erschien – wie auch alle späteren Werksammlungen Rathgebers – in Stimmbüchern und umfasst in der Zweitauflage mit den beiden ergänzten Requien insgesamt 416 Seiten (Canto = Sopran: 48 Seiten; Alto = Alt: 48 Seiten; Tenore = Tenor: 48 Seiten; Basso = Bass: 48 Seiten; Violino I = Violine I: 52 Seiten; Violino II = Violine II: 52 Seiten; Violoncello: 58 Seiten; Organo = Orgel: 62 Seiten).

Die Messen aus Opus I 

  • Missa I in F-Dur „Declina a malo“ („Erlöst vom Bösen“) aus Psalm 36
  • Missa II in G-Dur „Fac bonum“ („Tue das Gute“) aus Psalm 36
  • Missa III in A-Dur „Suavis est dominus“ („Gut ist der Herr“) aus Psalm 99
  • Missa IV in B-Dur „Beati omnes“ („Selig alle“) aus Psalm 127
  • Missa V in C-Dur „Sitivit in te anima mea“ („Meine Seele dürstet nach Dir“) aus Psalm 62
  • Missa VI in D-Dur „Laetatus sum“ („Voll Freude war ich“) aus Psalm 121
  • Missa VII in Es-Dur „Cantate et psallite“ („Singt und spiel“) aus Psalm 104
  • Missa VIII in E-Dur „Ego delectabor in Domino“ („Ich freue mich im Herrn“) aus Psalm 104

Zwar ist die Missa VIII „Ego delectabor in Domino“ mit drei # in A-Dur notiert, jedoch im Ganzen durch das laufend eingefügte Kreuz für dem Ton d und wegen ihrer Anfangsakkorde und Schlusskadenzen als E-Dur anzusehen. Zur Zeit Rathgebers war es zum Teil auch aus drucktechnischen Gründen häufig noch üblich, in der Regel nicht mehr als drei Vorzeichen vor die Zeile zu setzen.

Die Missa I „Declina a malo“ wird in einem Beitrag von Dr. Marius Schwemmer in der Ausgabe 02/2012 der Zeitschrift Musica Sacra Seiten 90-92 in der Rubrik "Aus der Praxis - für die Praxis" ausführlich besprochen.

Umfang der Messen (Takte)

 
Missa
I
Missa
II
Missa
III
Missa
IV
Missa
V
Missa
VI
Missa
VII
Missa
VIII
Kyrie I
11
7
17
13
14
11
46
13
Christe
 -  -  -  -
19
 -
11
11
Kyrie II
24
36
64
33
14
35
46
13
Gloria
34
91
51
76
48
51
20
22
Credo
121

 
26
79
   
29
91
   
45
 
45
 
57
  
Et incarnatus
25
18
 
Crucifixus
9
38
 
9
Et resurrexit
30
39
55
118
Sanctus
18
34
36
20
14
16
27
19
Osanna
54
25
34
15
28
33
17
17
Benedictus
9
32
13
11
34
12
11
19
Osanna
54
25
34
15
28
33
17
17
Agnus Dei I
11
19
30
6
16
27
16
22
Agnus Dei II
9
 -  -
33
34
 -
12
 -
Agnus Dei III
11
 -  -
6
16
 -
16
 -
Dona nobis pacem
24
36
64
33
19
35
46
40



Widmung an Abt Benedikt Lurz (1674–1731)

Johann Valentin Rathgeber widmete sein Erstlingswerk seinem Abt Benedikt Lurz (1674–1731). Abt Benedikt Lurz wurde am 16.09.1674 in Seßlach geboren und am folgenden Tag auf den Namen Johann Jakob Lurz getauft. Er genoss seinen ersten akademischen Unterricht in Bamberg, wo er sich am 28.11.1690 als Rhetor immatrikulierte. Ein Jahr später führte er seine Studien in Würzburg fort. Am 24.06.1695 trat er als Novize in das Benediktinerkloster Banz ein und erhielt den Ordensnamen Benedikt. Am 25.07.1696 feierte er seine Ordensprofess und wurde am 18.07.1700 zum Priester geweiht. Als Rathgeber am 26.11.1707 entweder aus Neigung oder aus Versorgungsgründen in das Kloster Banz eintrat, war Benedikt Lurz Novizenmeister. Am 12.03.1720 wurde er von den Banzer Konventualen, unter Ihnen auch Valentin Rathgeber, zum Abt gewählt. Er starb am 18.01.1731 nach einem rastlosen und tüchtigen Leben. Unter seiner Regentschaft wurde die Innenausstattung der Banzer Klosterkirche vollendet und das alte Schloss Buch a.Forst sowie die angegliederten Wirtschaftsgebäude durch einen Neubau ersetzt. Er lies die alte, bislang noch bestehende Klosterkirche abbrechen und errichtete die Terrassierung zum Maintal hin. Er galt als großer Gelehrter und Kunstfreund.

"Unicum hoc addo, & precor, ut Octavam hanc Missarum Musicalium OCTAVAE VIRTUTUM ABBATIALIUM (quae juxta S. Ambrosium L. 5. in Lucam cap. 6. post initium Summa est) ...", mit diesen Worten aus der Widmung preist Rathgeber acht Tugenden an seinem Abt Benedikt Lurz. Darüber hinaus gibt er einen Hinweis auf den Hl. Ambrosius, der die Oktav als das Höchste (Summa) bezeichnet. Rathgeber versteht es in der Widmung in geschickter Weise - obwohl er versichert, dem Abt nicht schmeicheln zu wollen - die salomonische Weisheit, ciceronische Redegewandtheit, stählerne Festigkeit, Lammesunschuld und den religiösen Feuereifer seines Abtes in beredten Worten zu rühmen. Zudem betont Rathgebers, dass es dem Abt ein besonderes Anliegen war, die Zahl der Ordensmitglieder zu vergrößern, die Gottesverehrung durch die Pflege der Kirchenmusik im Chor der Mönche zu heben und die Ordensdisziplin auch der Kirchenmusikpflege zu Gute kommen zu lassen. Schließlich beteilige sich der Abt selbst vorbildlich am kirchlichen Gesang und fördere die Chor- und Orgelmusik als vollkommener Musiker und väterlicher Schützer.

Ad Philo-Musum („An den Musen-Freund“)

Im so genannten „Ad Philo-Musum“ von Opus I nennt Rathgeber programmatisch seine kompositorischen Maximen:

„Ich lege die Oktave der acht musikalischen Töne in acht musikalischen Messen vor, ein kleines, aber ganz dem neuen Stil unserer Zeit angepasstes Werk, nicht so sehr geeignet zur Aufführung an pompösen Festen für Chöre berühmter Kathedralen oder fürstlichen Kirchen. Wenn Du darin große Kunstfertigkeit suchst, dann täuscht Du Dich: Nicht ein außergewöhnliches Kunstwerk, sondern eine liebliche Harmonie habe ich ausgedacht, die den Ohren der Hörer meist noch lieber ist als kunstvolle Arbeit. Von vollem Sängerchor und vielen und selteneren Instrumenten habe ich abgesehen, weil es den meisten Chören an Musizierenden fehlt und ich bin zufrieden, wenn meine Komposition gut aufgeführt wird, hauptsächlich mit zweifach besetzten Violinen und einem begleitenden Violoncello. Dies wird auch nicht zu schwierig sein, weil ich mich um die unseren Zeiten willkommenere Leichtigkeit und Kürze bemüht habe.“

Mit den drei kompositorischen Idealen brevitas (Kürze), facilitas (Leichtigkeit) und suavitas (Lieblichkeit), die sich vermutlich schon in frühen Jahren aus den Erfahrungen mit der kirchenmusikalischen Praxis an seinem Geburtsort Oberelsbach herausgebildet hatten, setzte Rathgeber verstärkt auf die Vielseitigkeit seiner Musiker und schrieb für sie in erster Linie Stücke, die vom Blatt zu spielen waren. Seine leicht aufführbaren und konsumierbaren Werke waren als Gebrauchsmusik weniger für große Chöre und Orchester als für kleinere, ländliche Ensembles gedacht und darüber hinaus stets von gleich bleibend hoher Qualität, so dass es nahezu unmöglich ist, eine Komposition zu finden, die sich als ein Gelegenheitswerk herausstellt.

Brevitas (Kürze) ist zunächst eine formale Kategorie. Text und Melodie werden so kurzgliedrig wie nur irgendwie möglich gehalten. Auf unnötige Textwiederholungen wird weitestgehend verzichtet. Facilitas (Leichtigkeit) bedeutet die Abkehr von komplizierter kontrapunktischer Satztechnik und barocker Prunksucht. Außerdem sollen die einzelnen Stimmen leicht und überschaubar auszuführen sein. Rathgeber verzichtet auf großes Orchester und besondere Instrumente. Vielmehr fordert er für die Interpretation seiner Werke in der Regel nur einen vierstimmigen gemischten Chor und das Kirchentrio, wobei diese Besetzung noch nach Belieben durch verschiedene Blasinstrumente erweitert werden kann. Suavitas (Lieblichkeit) bezieht sich schließlich auf die verwendeten Harmonien. Diese sind in erster Linie homophon gehalten. Durch die Verwendung von Terzen und Sexten bestimmt diese Maxime auch die melodische Gestaltung. Alles soll den Ohren schmeicheln und eingängig sein. 

Neueditionen

Im Jahr 1968 erschien das erste kirchenmusikalische Werk Rathgebers in einer modernen Ausgabe. Es handelte sich um die Missa I in F-Dur „Declina a malo“ aus Opus I. Sie wurde vom unterfränkischen Bezirksheimatpfleger Andreas Pampuch und vom „Arbeitskreis Valentin Rathgeber, Bad Neustadt a.d.Saale“ in der Reihe „Singendes Franken“ herausgegeben. Diese Neuausgabe wurde nach Fotokopien der Einzelstimmen der Bayerischen Staatsbibliothek München und der Zentralbibliothek Zürich zusammengestellt. Acht Jahre später, im Jahr 1976, erfolgte eine Ausgabe dieser Messe im Carus-Verlag.

Inzwischen sind alle Messen aus Opus I in modernen Ausgaben erschienen. Bis jedoch auch die letzte Messe in einer modernen Neuausgabe vorlag, sind seit 1968 insgesamt 40 Jahre vergangen. Erst im Jahr 2008 erschien als letzte Messe die Missa VII in Es-Dur „Cantate et psallite“ im Verlag Dohr/Köln. Alle Neuausgaben liegen im Archiv der Internationalen Valentin-Rathgeber-Gesellschaft Oberelsbach e.V. vor und können dort bei Bedarf nach vorheriger Absprache eingesehen werden:

  • Missa I in F-Dur „Declina a malo“, Erhard Nowak, Carus (1976);
  • Missa II in G-Dur „Fac bonum“, Süddeutsche Kirchenmusik des Barock. Bd. VII, Wolfgang Fürlinger, Coppenrath (1978);
  • Missa III in A-Dur „Suavis est dominus“, Wilfried Dotzauer, Carus (1988);
  • Missa IV in B-Dur „Beati omnes“, Wilfried Dotzauer, Carus (1989);
  • Missa V in C-Dur „Sitivit in te anima mea“, Süddeutsche Kirchenmusik des Barock. Bd. XIV, Wolfgang Fürlinger, Coppenrath (1983);
  • Missa VI in D-Dur „Laetatus sum“, Süddeutsche Kirchenmusik des Barock. Bd. XIII, Wolfgang Fürlinger, Coppenrath (1983);
  • Missa VII in Es-Dur „Cantate et psallite“, Josef Dahlberg, Dohr (2008);
  • Missa VIII in E-Dur „Ego delectabor in Domino“, Süddeutsche Kirchenmusik des Barock. Bd. XIX, Wolfgang Fürlinger, Coppenrath (1985)

 

Aufnahmen auf Tonträger

Missa I in F-Dur „Declina a malo“

  • Geistliche Musik fränkischer Meister des 17. und 18. Jahrhunderts. Würzburger Domorchester/Würzburger Domsingknaben/Faulstich/Koesler (Christophorus SCGLX 73820) - LP
Kyrie
Gloria
Credo
Sanctus
Benedictus
Agnus Dei
  • Missa in F "Declina a malo" Op 1/1. Capella Nova Civitas/Nowak (Produktion W. Hömmerich, Bonn) - LP

Missa III in A-Dur „Suavis est dominus“

  • Der Bamberger Domchor. Bamberger Domchor (Abanori) - LP
  • Livemitschnitt des Abteigottesdienstes am 30. Januar 2011. Felicitas-Chor Münsterschwarzach/Br. Julian Glienke
Kyrie
Gloria
Credo
Sanctus/Benedictus
Agnus Dei

Missa VIII in E-Dur „Ego delectabor in Domino" 

  • Valentin Rathgeber. Capella Herbipolensis/Meurer/Linsenmeyer (Tonstudio Würzburg) - LP

Die Missa I in F-Dur "Declina a malo" war unter Domkapellmeister Prof. Siegfried Koesler (Domkapellmeister am Würzburger Kiliansdom von 1971 bis 2002) im Repertoire der Würzburger Domsingknaben. Sie wurde bereits unter Koeslers Vorgänger, Monignore Franz Fleckenstein (Domkapellmeister am Würzburger Kiliansdom von 1961 bis 1971), ca. 1969 aufgeführt. Weitere Aufführungen dieser Messe unter Prof. Koesler erfolgten 1971, 1973, 1975 und 1977.

Die Missa II in G-Dur "Fac bonum" wurde vom Würzburger Domchor in den Jahren 1980, 1982, 1986 und 1991 unter der Leitung von Prof. Koesler aufgeführt. 1991 erfolgte zudem eine Aufführung im Salzburger Dom, wo die Messe seither regelmäßig gesungen wird. Im Jahr 1991 wurden die Streicher durch zwei Oboen und ein Fagott ersetzt. Zudem wurden die Solistenpartien chorisch ausgeführt. In dieser Besetzung wird die Messe auch in Salzburg gesungen.

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